Zwei heute leerstehende Gebäude zwischen Bad Goisern und Hallstatt, abseits der Bundesstraße, an der Mündung des Gosaubaches in den Hallstättersee – das ist die geschichtsträchtige Gosaumühle. Wer kennt sie nicht?
Um die Jahrhundertwende besuchten Adelige den Landgasthof in den Sommermonaten, so auch Sisi und Franz. Die Rohstoffe Salz und Holz prägten den Standort jedoch entscheidender. Fragmente der Gosaumühler Rechenanlage belegen die technisch hochentwickelte Forstwirtschaft, die maßgeblich für die notwendige Beschaffung großer Holzmengen war – seit dem Mittelalter wurde hier das in Hallstatt benötigte Holz – für die Stollen im Salzbergwerk, das Sieden des Salzes und den Bau der Soleleitung – aus den umliegenden Wäldern über den Gosaubach zur Gosaumühle transportiert, hier gelagert, in einem Sägewerk bearbeitet und über den Seeweg nach Hallstatt transportiert. Auch als Campingplatz und Tauchschule machte sich die Gosaumühle einen Namen. Kurz vor der Generalsanierung steht sie seit geraumer Zeit leer.
So vielschichtig dieser Ort ist, werden manche Geschichten lauter als andere erzählt, einige gehen im Laufe der Zeit verloren, wenn wir sie nicht bewusst wieder aufgreifen.
Dass es Bilder auf einem Balkon der Gosaumühle sowohl von Kaiserin Sisi als auch von der Künstlerin Katarzyna Winiecka gibt, zeugt von der vielschichtigen Geschichte des Ortes. Die Künstlerin war als Kind, mit ihren aus Polen geflüchteten Eltern in der Flüchtlingspension Gosaumühle untergebracht. Zusammen mit vielen anderen warteten sie Ende der 80er Jahre dort auf die Entscheidungen über ihre Asylverfahren bei der kanadischen oder US-Botschaft.
Auf die Zeitspanne der europäischen Wende, als Österreich für Geflüchtete von einem Transitland zu einem Ankunftsland wurde, konzentriert sich das Rechercheprojekt von Katarzyna Winiecka, die mit biografischen Elementen der eigenen Familie und der anderer ehemaliger Bewohner*innen von einer Gesellschaft in Bewegung zeugt. Sie beschreibt die Gosaumühle als einen Ort der Ankunft, ohne Destination zu sein, als Raum des Kommens und Gehens, des Wartens und Erwartens, der Solidarität und regionaler Arbeitsvermittlung.
Die Ausstellung baut auf Gesprächen und gesammeltem Archivmaterial von Menschen, die Grenzen überschritten, Spuren hinterlassen und soziokulturelle wie ökonomische Veränderungen in der Region mit sich gebracht haben, auf. Die Künstlerin begibt sich in einen Dialog mit der Vergangenheit aus dem Blick der Gegenwart .Sie rückt sowohl Geschichtsschreibung von unten als auch marginalisierte Perspektiven auf national geprägte Geschichtsnarrative in den Vordergrund. Die Arbeit möchte lokale und transnationale Erzählungen von Migrant*innen in die offizielle Geschichte des Inneren Salzkammerguts einschreiben und hierfür signifikante Orte wie die Gosaumühle sichtbar machen.
Die Künstlerin verdeutlicht, dass der Blick auf Mobilität und deren Akteur*innen meist aus der Perspektive der jeweiligen Nation stattfindet. Sie hinterfragt die Annahme, dass Sesshaftigkeit und territorial festgelegte Kulturen die Normalität darstellen, Migration aber, sei sie freiwillig oder erzwungen, den Ausnahmefall darstellt. Die Künstlerin versteht Migration als eine verändernde Kraft, die Räume und Menschen miteinander verbindet und unsere Vorstellungen von Demokratie und gesellschaftlicher Teilhabe radikal in Frage stellt.
Die Ausstellung Geteilte Räume lädt Besucher*innen ein, den eigenen Blick zu prüfen, genauer hinzuhören, zwischen den Zeilen zu lesen und sich selbst in Bewegung zu begeben und bietet die einmalige Gelegenheit, die Gosaumühle vor ihrer Sanierung zu einer Hotelanlage mit den zahlreichen Spuren ihrer Vergangenheit zu betreten.
Abgerundet wird das Projekt mit Diskussionen, Lesungen und Workshops
In Kooperation mit Hotel Grüner Baum Hallstatt.
Musik: Christian Kapun
Dokumentation
Ausstellungsführung mit Katarzyna Winiecka