Auch Bauwerke haben ihr Schicksal. Der überregional so gut wie unbekannte Kohlebrecher von Kohlgrube kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. 1922/23 vom Steyrer Architekten Wichels gebaut, war der Industriebau stolzes Zeichen des Hausrucker Kohlereviers. Hier wurde die unter Tag abgebaute Kohle zerkleinert und zum Abtransport Richtung Westbahn in Eisenbahnwaggons abgefüllt. Als der Bergbau nicht mehr rentabel und die Stollen verwaist waren, wandelte sich das Ansehen des Kohlebrechers. Während der wirtschaftlichen Krise der Region rief er schmerzliche Erinnerungen an bessere Zeiten wach. Vom einstigen Brecher blieb lediglich das Eisenbetonskelett erhalten. Ein Schandfleck, wie viele befanden. Stimmen wurden laut, die den Abriss des Industriedenkmals forderten, das weder in Heimatbücher noch in die Verzeichnisse des Bundesdenkmalamtes Eingang fand. Der mittlerweile dicht von Bäumen umstandene Brecher war schon zum Abriss freigegeben, als ihn Peter und Wolfgang Weinhäupl schließlich aus einer Konkursmasse erwarben. Den vergangenen Ereignissen trotzend, schaffen Peter und Wolfgang Weinhäupl mit einer Installation ein neues Bewusstsein für das historische Bauwerk und die Geschichte. Eine eigenwillige Struktur überwuchert das Betonskelett des Kohlebrechers erst vorsichtig, dann selbstbewusst. Wie Adern schieben sich röhrenartige Finger aus buntem Kunststoff über die nüchterne Trägerstruktur und schaffen mit ihrer leichten, vernetzten und veränderbaren Form einen Kontrast zum Eisenbeton. Seine schiere Größe und Monumentalität erscheint nun noch bedrohlicher. Dazu schafft der Wiener Elektronikmusiker Hons mit weiten, dunklen Klanglandschaften im Rahmen der Liveperformance „Anwachsen – Der Brecher ins rechte Licht gesetzt“ eine akustische Umsetzung. Im und um den Brecher lädt ein Rundweg mit 5 Stationen zur StrukTour. Installationen, historische Film- und Fotoaufnahmen, Klänge und Interviews mit ehemaligen Bergleuten ermöglichen die Wiederentdeckung der Vergangenheit. Abseits von Bergknappenromantik tritt die Erinnerung an die mühselige und gefährliche Arbeit unter Tag, an die verunglückten Bergleute und die Zwangsarbeiter während des Kriegs aus dem Schatten der Vergangenheitsverklärung. Die StrukTour ist bis Sonntag, 29. Juni täglich begehbar. Parallel dazu öffnet das Café am Brecher, das zum Verweilen auf dem Areal im Wald einlädt. Hier gastiert am Sonntagvormittag mit Café Drechsler eines der zur Zeit wohl spannendsten Ensembles in Österreich. Mit Drums, Bass und Saxophon überführt das Wiener Trio die zeitgenössische Elektronik (Drum’n’Bass, Trip Hop …) in eine rein akustische Variante. Feinste Beats und Sounds, wie sie sonst nur von den elektronischen Trickkisten und Plattenspielern der DJs stammen.
Archiv - Festival der Regionen 2003
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