Ausgehend vom Bild des „kleinen Grenzverkehrs“, in dessen Rahmen bis 1947 böhmische Bauern Gänse durch das Mühlviertel in Richtung Linz getrieben haben, zum Verkauf anboten, und sich hiebei mit den Einheimischen „austauschten2, versucht dieses Projekt, nachbarschaftliche Beziehungen in Form eines kulturellen Grenzverkehrs zu rekultivieren. Nach Jahrzehnten der totalen Isolation und kulturellen Entfremdung hüben wie drüben, ist es Zeit für Versuche der Annäherung, eines „Sich-Wiederkennenlernens“, einer beiderseitigen Expedition in die Lebenswelten einander entfremdeter Nachbarn mit gemeinsamen geschichtlichen Wurzeln. Sporadisch durchgeführte Einzelveranstaltungen mit tschechischen Kulturgruppen in Oberösterreich – und diese Art von Kulturtourismus ergänzende Formen des Geldtourismus – tragen eher zur weiteren kulturellen Entfremdung zwischen den benachbarten Kulturlandschaften Böhmens und Oberösterreichs bei, und haben mit Kulturaustausch im positiven Sinn nichts zu tun. Dieses Projekt versteht Kulturaustausch als Arbeit, als langen Prozess, der sich nicht in Einzelveranstaltungen erschöpft, sondern mit der gemeinsamen Erarbeitung dieses Konzeptes beginnt und sich in der Einrichtung von „kulturellen Austausch-Camps“ über mehrere Tage hinweg phasenweise immer wieder manifestieren wird. Wichtig ist nicht nur die Wissensvermittlung mittels Vortragszyklen, sondern auch die Wissensvermittlung durch Austausch unterschiedlichster Erlebnisberichte und Informationen zu Musik, Film, Tanz, Literatur, Kochen in einem über einen Zeitraum von mehreren Tagen von allen Informationsträgern bewohnten Ort. Das erste Austausch-Camp wird von Freitag 24. bis Sonntag 26. September 1993 am Feuerkogel eingerichtet. Schwerpunkt: Durchleuchten gemeinsamer geschichtlicher Wurzeln und getrennter geschichtlicher Entwicklungen von 1900 bis zur Jetztzeit mit punktuellen Ausflügen in die tiefere Vergangenheit Südböhmens und Oberösterreichs. (Alle Titel sind nicht geschlechtspezifisch zu sehen): Historiker, Ökonomen, Sozialphilosophen und Ökologen werden Vorträge halten. Fragestellungen: Wie wirkten sich geschichtliche Ereignisse unmittelbar wirtschaftlich, sozialpolitisch, ökologisch und kulturpolitisch aus und was bedeuten sie für unsere jetzige Situation? Zeitzeugen werden von ihren Erlebnissen und Erfahrungen berichten. Musikanten spielen überlieferte Musik, Tänzer tanzen traditionelle Tänze, Köche kochen kulturraumspezifische Gerichte. Als Kontrapunkt zum Schwergewicht der historischen Ausrichtung werden Vertreter der künstlerischen Avantgarde (Literatur, Film) geladen. Wichtig dabei ist es, die Geschichte nicht historisierend zu durchleuchten, sondern die Geschichte als Steinbruch für neue Gedankengebäude zu nutzen und Wurzeln derzeitiger Problemstellungen im Blick auf die Vergangenheit zu reflektieren. Am Sonntag, 26. September 1993 öffnet sich das Camp der Öffentlichkeit in Form eines Festes am Feuerkogel.
Archiv - Festival der Regionen 1993
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