Das Kremser Augebiet um die 1000jährige Eiche in Inzersdorf – ein für viele Kinder ehemals vertrauter Spiel- und Abenteuerort – hat sich durch das gigantische Bauwerk Autobahn stark verändert. Man hat auch hier festgefahrene Strukturen aufgebrochen, eine immense Asfaltfläche angelegt, die einem Niemandsland gleicht und ewig ein Fremdkörper in dieser Landschaft bleiben wird. Gleichzeitig vermittelt Autobahn als Verbindungsader zwischen Weltstädten einen Aufbruchsgedanken – sich mit großer Geschwindigkeit von einem Ort zum anderen zu bewegen. Die große Stadt als Ort der Befreiung – aber auch der Einsamkeit. Vielleicht der lange Weg zu einer unerfüllten Hoffnung? Das Stück spielt irgendwo zwischen Landshut und Calcutta, und stellt das Schicksal von Flüchtlingen dar, die es zu Abermillionen gibt und die doch in keiner Flüchtlingsstatistik auftauchen, weil sie nicht Landesgrenzen, sondern ihre eigenen überqueren. Aus Pionieren werden so Opfer. Ausgehend vom Ortsbauern in Inzersdorf zieht sich, begleitet vom Publikum, ein Vorspiel entlang von symbolträchtigen Stationen der Gegend bis zum Autobahntunnel. Im Inneren des von Kremstaler Mostsäcken zugehängten Tunnels endet vorerst die Reise für die Zuschauer. Das Stück beginnt! Eine Bauernfamilie, die dem von Gott geschaffenen Familientypus als Ort der Geborgenheit, der Liebe, bei weitem nicht entspricht. In ihr ist alles erstarrt, sie ist geprägt von Routine und Kälte, lechzend danach, Kontakt zu schaffen. Sogar im Tod der Großmutter bleibt die Familie unbeteiligt. Ein tiefer Lebensschmerz, der einen täglich begleitet und dieses Nichterleben-Können von Lust wird mehr und mehr zum Element. Als Versuch, festgefahrene Strukturen aufzubrechen, reißen sich Sohn und Tochter von zu Hause los, ziehen in die Stadt, um sich dort ihre Sehnsüchte nach Kontakt, nach Lust zu erfüllen. Es gelingt ihnen nicht. Sie erfahren die gleiche Unmenschlichkeit wie zu Hause. Der Sohn findet keine Arbeit und verkauft seine Schwester an Kunden, woran sie zerbricht. Geschändet und gescheitert an der Unfähigkeit, neue Wurzeln zu setzen, kehren sie aufs Land zurück. Dort finden sie nur noch die Gräber der Eltern wieder.
Archiv - Festival der Regionen 1995
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