Bereits im 17. vorchristlichen Jahrhundert fragte eine Tochter des großen assyrischen Herrschers Zimrilim von Mari bei einem hohen Beamten ihres Vaters an, ob sie eine Karawane festhalten solle, die aus einem zu dieser Zeit stark umkämpften Gebiet kam. Die Kaufleute dieser Karawane verfügten nämlich, so die fürsorgliche Tochter warnend, über Informationen, die die Loyalität mancher Lokalfürsten untergraben könnten. Karawanen und Fahrendes Volk waren für Herrschende seit jeher ein Quell der Unsicherheit und des Argwohns. Verfügten sie doch häufig über Informationen, die man den eigenen Untertanen gerne vorenthalten hätte. Mit ihrem Wissen um Zustände und Verhältnisse in anderen Regionen und Reichen säten sie oftmals Unruhe und Unzufriedenheit unter die bis dahin gehorsamen Untertanen. Vor allem aber brachten sie so manche Lügengebäude und Mythen, auf die sich viele Herrschaften stützten, zum Wanken und manchmal gar zum Einsturz. So wurden sie immer wieder verfolgt, vertrieben und schauerliche Geschichten über sie verbreitet. Methoden, die im übrigen auch heute noch aufrecht erhalten werden. Ob durch fremdenfeindliche Gesetze, mörderische Grenzsicherungen oder die Diffamierung von MigrantInnen als Jobkiller, Sozialschmarotzer oder Drogendealer. Die v.o.n. Karawane, die von 27. Juni bis 4. Juli von Wolfsegg über Bachmanning, Lambach, Wels und Rutzing nach Linz-Süd quer durch Oberösterreich zieht, steht somit in bester aufklärerischer Tradition. Auch dieser Tross aus acht Kamelen und etwa 20 Personen wird an Herrschaftskonstrukten und modernen Mythen kratzen. So zum Beispiel an dem Mythos, es gäbe keine Alternative zu Kapitalismus und Neoliberalismus („There’s no alternative”, Margret Thatcher). Aber auch der Desinformation und Gängelung der Bevölkerung durch gesteuerte Massenmedien, wie sie zuletzt wieder im Zuge des Krieges gegen den Irak offensichtlich wurden, sagt die v.o.n. Karawane den Kampf an. An den allabendlichen Lagerstätten baut die v.o.n. Karawane Zelte auf. Anschließend wird für alle, die sich im Lager einfinden (ob Ortsansässige, Karawanen-Personal oder Schaulustige) aufgekocht. Damit nicht genug: Nach dem gemeinsamen Essen stehen Filmvorführungen, Gesprächsrunden oder Podiumsdiskussionen auf dem Programm, die um Themen wie Feindbildkonstruktion, Neoliberalismus, Weltherrschaft, Medienmacht, Fremdenfeindlichkeit und politischen Widerstand versus herrschaftsstützende Popkultur kreisen.
Archiv - Festival der Regionen 2003
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