Eine Filmreihe zur „Kunst der Feindschaft“ läuft Gefahr, sich zu verzetteln. Zu vielfältig hat sich das Kino mit Feindschaften beschäftigt und bis in hinterste Winkel die Bezogenheit der Feinde aufeinander in Hass und Abneigung ausgeleuchtet. So bleiben die psychologisch ausgefeilten Feindbeziehungen für dieses Mal links liegen. Die Filmreihe im Linzer Programmkino Moviemento widmet die Hauptabendschiene den politischen FeindschaftskünstlerInnen. Im Nacht-Slot findet sich eine kleine Zusammenschau des asiatischen Gewaltkinos. Das Programmkino Wels und die Lichtspiele Lenzing pflegen an jeweils drei Abenden innerhalb des Festival-Zeitraumes unterschiedliche politische und soziopolitische Feindschaften. Die Filme über politische Feindschaften verbindet jene Distanz, die der Reflexion realer politischer Ereignisse, Epochen oder Zustände innewohnt. Gerade das, was auch als „Realität“ medial abgebildet wurde, bedarf vermittelnder Strategien, wenn in der Fiktion das Geschehene zu einer Fabel komprimiert werden soll. Da sind die filmischen Blicke auf Feindschaften im eigentlichen Sinn immer Rück-Blicke: durch dramaturgische Filter hindurch werden das vergangene Ereignis und der vergangene Zeitraum einer Re-Vision unterzogen, in der Hoffnung, Neues und Anderes zu sehen. Was, so könnte die Frage im Hintergrund lauten, ist aus dieser vergangenen Feindschaft zu lernen? Welche Spuren sind geblieben? Wie ist die Erzählung weiterzugeben? Mit den Augen eines neunjährigen Mädchens schauen wir auf die Kommunisten- und Kaninchenhatz im Australien des Jahres 1957 („Celia“). Wie mit der Vergangenheit umzugehen sei, fragt sich der eben freigelassene politische Häftling in Argentinien nach dem Sturz der Militärdiktatur in den 1980er Jahren („Sur“). Serben und Kroaten treffen auf einem für beide Feindparteien fremden Boden aufeinander, dem London der 1990er („Beautiful People“). Der RAF-Terrorist als hedonistischer „Popstar“ – auch eine Terroristenbiografie eignet sich nach einem gewissen Zeitraum zur Mythologisierung („Baader“). Manchmal findet das Bedürfnis nach Distanz in der formalen filmischen Gestaltung vehement Ausdruck. Poetische Tableaus revolutionärer Kämpfe werden entworfen („Soy Cuba“); die Biographien eines RAF-Mitglieds und des Chefs der Deutschen Bank parallel so gedacht, dass sie vielleicht gegenseitig Geheimnisse preisgeben („Black Box BRD“). Zu viel Re-Vision, zu wenig Vision? Die direkteste Zeitgenossenschaft erreicht vielleicht „11‘09″01 – September 11“. 11 RegisseurInnen erzählen je eine Episode als Partikel eines Metakommentars zum 11. September 2001. Jede dieser Episoden ist genau 11 Minuten, 9 Sekunden und 1 Filmbild lang. Wie die asiatische Kinematografie von einer „Kunst der Feindschaft“ erzählt – das gilt es in der Nachtschiene zu entdecken. In den fünf Filmen aus Hongkong und Japan wird die Feindschaft auf eine ekstatische Art zelebriert – gerade so, als gäbe es nichts Intimeres, neben der Liebe, als den Hass. Die Nähe der Feinde und ihre bedingungslose Abhängigkeit voneinander wird nicht nur auf der erzählerischen Ebene intensiv zum Ausdruck gebracht. Die grafische Darstellung physischer Gewalt, die manchmal mehr wie ein Ballett aussieht als ein Kampf, spricht von der einzigen Möglichkeit gegenseitiger Berührung: dem Eindringen des Projektils in das Fleisch des Gegners. Diese Bewegung konstituiert die Beziehung in beide Richtungen, vom Cop zum Killer und vom Killer zum Cop. Die beiden erscheinen einander im Spiegel – so nah, nur durch eine Glasscheibe geschieden, als wären sie im Mutterbauch kämpfenden Zwillinge, von denen nur einer überleben kann.
Archiv - Festival der Regionen 2003
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