Archiv - Festival der Regionen 2003

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FDR 2003

Engstirnigkeiten

Seine Stunde schlägt, wenn ein Urnengang vor der Tür steht. Dann hat er seinen großen Auftritt und überschwemmt Fußgängerzonen, Gehsteige und Plätze. Die Rede ist vom Dreieckständer, dem kleinen Bruder der Litfasssäule. Gilt es, die politische Macht im Bundesland (oder in der Republik) neu zu verteilen, holen die um die WählerInnengunst buhlenden Parteien zum werblichen Rundumschlag aus. Der sitzt mit Hilfe des Dreieckständers besonders gut, ermöglicht die sinnreiche Konstruktion dreier Plakatflächen doch die Präsentation von Politikergesichtern und –schlagwörtern aus allen Richtungen. Niemand soll dem Appell entkommen, doch Kandidat X und Partei Y die Stimme zu geben, um dem Land und seiner Zukunft Gutes zu tun. Von Wahlkampf zu Wahlkampf geballter und dichter gedrängt, entfaltet die Wahlwerbung immer lauteren visuellen Lärm in Städten und Märkten. Entsprechend schrill die optischen Signale im Kampf der rivalisierenden Parteien um die Aufmerksamkeit der PassantInnen. Werner Puntigam aka PNTGM – akustisch, visuell und interdisziplinär agierender Künstler – treibt die Materialschlacht um den „Wählerwillen“ kunstfertig auf die Spitze. Ehe der Kampf um die oberösterreichischen Landtags- und die Linzer Gemeinderatswahlen im Herbst beginnt, borgt sich Puntigam Dutzende Dreieckständer, mit denen er ausgewählte Zonen der Linzer Innenstadtdie Passage beim Finanzamt Linz am Hauptplatz im wahrsten Wortsinn vollstopft. Wabenförmig dicht aneinander gereiht formieren sich die Plakatflächen zu regelrechten Straßensperren, die den Durchgang erschweren oder unmöglich machen. Unmöglich auch, im Getümmel noch Details wahrzunehmen: Ständer an Ständer, Plakat an Plakat gedrängt, löschen sich die Informationen auf den einzelnen Ständern nahezu aus. In der Verdichtung der Wahlwerbung über das erträgliche Maß hinaus wird die bis ins Feindliche reichende Rivalität der Parteien sichtbar.