Graben und grübeln
„Ich könnte versuchen, eine Art Glück zu erfinden. Und durch den inneren Sinn würde die Arbeitsproduktivität steigen. (…) Man gab Wostschew (Maurer) einen Spaten, er (sie) packte ihn, als gälte es, die Wahrheit dem Erdenstaube zu entreißen.“ (Andrej Platonow: Die Baugrube)
In einer Baugrube mitten in Ebensee heißt es graben und grübeln im Schichtwechsel. Während sich Maurer als Erdarbeiterin wortwörtlich in die unteren Schichten des Ebenseer Bodens hineinhackelt – und zwar um dem Sinn des Weltganzen auf den Grund zu gehen –, lässt das neben der Baugrube in einem Bauwagen installierte RADIO PST PST Wörter und Geräusche durch die Luftschicht von Ebensee fliegen. Maurer wird mit Spaten und Schaufel, Schubkarren und Flaschenzug in den Daseinsstoff eindringen, ihn ausschaufeln, nach oben karren und anhäufen. Sie arbeitet sich also Tag für Tag in die unteren Schichten des Ebenseer Bodens hinein und untergräbt mit diesem augenscheinlich absurden Unterfangen jegliche Erwartung einer zweckgerichteten Tätigkeit. Ihr sinnloses Hackeln ist jedoch nicht ohne Sinn: Immerhin kommen ihr mit dem Eindringen in die Grundsubstanz allerhand Gedanken und sie muss sich – um mit dem überdimensionierten Maßstab der Grube zurechtzukommen – Hilfskonstruktionen bauen, damit sie Gedanken und Materie in Ordnung bringen kann.
Als Komplementär-Aktion zur Graberei wird RADIO PST PST die Erkenntnisse aus der Baugrube weiterverarbeiten, zerlegen und mit Gedankenportionen aus den Köpfen von Ebensee zusammenwürfeln. Leute aus Ebensee werden zu Sinn und Unsinn interviewt, Arbeitsgeräusche aus verschiedenen Arbeitsstätten aufgenommen, Lokalnachrichten zerschnipselt und ummontiert usw. Die tägliche Baubesprechung wird regelmäßig live übertragen, und zwar mit einem Fragenkatalog wie etwa: Wo wackelt Ihr Gedankenkonstrukt? Wie weit reicht Ihr Sinn? Was sagen die Erdklumpen heute? Wie lang war der längste Gedanke in Zeit und Raum?
Radio PST PST: Nicholas J. Hoffmann