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Das Festival der Regionen 2025 “Realistische Träume” zieht Bilanz


„Ganz anders als sonst.“ So lautete das Resümee einer Braunauerin zum Festival der Regionen 2025, das am Sonntag 22.6.25 erfolgreich zu Ende gegangen ist.

Seit 33 Jahren versteht sich das oberösterreichische Festival der Regionen als „Zusammenspannwerk“ von künstlerischer Avantgarde und den gesellschaftlichen Themen und Herausforderungen der oberösterreichischen Peripherie.

Keine Abfolge von Veranstaltungen, sondern Einladung an die Festivalregion zum kritischen Dialog und zum Träumen – mit beiden Beinen in der Realität. Eine vielstimmige, manchmal widersprüchliche, aber stets lebendige Auseinandersetzung über Gegenwart und Zukunft im ländlichen Raum.

Das Festival der Regionen 2025 zählt bei freiem Eintritt zu allen Veranstaltungen und Angeboten erneut rund 20.000 Besucher*innen & Festivalbeteiligte, persönliche Begegnungen, Kontakte, Interaktionen.

  • 10 Tage „fröhlicher Wahnsinn“ von 13. bis 22. Juni 2025
  • Über 40 unterschiedliche Spielorte in Braunau, Ranshofen, Simbach (D), Ried, Schärding, Ostermiething, Mining, Obernberg, Altheim, Reichersberg, Suben, Antieshofen
  • 34 künstlerische Projekte
  • Mehr als 200 beteiligte Künstler*innen: Bildende Künstler*innen, Musiker*innen, Performer*innen, Slammer*innen, Medienkünstler*innen, Autor*innen, Tänzer*innen …
  • 144 Veranstaltungen
  • Vermittlungsangebot für groß und klein mit 37 Workshops & 20 Führungen

Eine performative Übernahme des öffentlichen Raums.

Mit temporären Objekten und Skulpturen aus Altholz und Sperrmüll, die den Stadtraum prägten. Von morgendlichen Schulklassen in neongelben Warnwesten auf Schnitzeljagt bis zu den in Weiß und schwarz gekleideten Gstanzl- und Schmähgedichte-singenden „Menscha*“ der „Zeche Hinterfotzing“: Patriarchales Brauchtum “queer“-geschrieben

„Realistische Träume“ ist spürbar und sichtbar angekommen, hat für Diskussionen gesorgt.

Ungewöhnliche Spielorte & Formate

Mobile Tanzflächen, Bahnhöfe, Parks, Züge, Stadtplätze, Uferlandschaften, Straßenbrücken, Wirtshäuser, leerstehende Geschäftsräume, Kirchen, lokale Galerien & kleine Ausstellungshäuser – das Festival rückte jene Räume ins Zentrum, die im Alltag oft übersehen werden.

Vielfalt an künstlerischen Formaten & Ausdrucksformen

Partizipative Performances, Tanzboden-Pop-ups, Listening Sessions, Bankette, Radioprojekte, Workshops, Ausstellungen, Feste, Happenings, Wanderungen – durchlässig und einfach zugänglich.

Ein Festival der „Kooperation“ und ein „Festival der Begegnung“

Ein Festival, das nicht nur zur kritischen Auseinandersetzung mit schwierigen Themen aufforderte. Sondern auch zum Mitmachen, Mitgestalten, Mittanzen und Mitfeiern. Realistische Träume war ein Festival, das stark auf die Kooperation mit Initiativen vor Ort setzte. Viele Projekte wurden gemeinsam mit lokalen Communities entwickelt.

Das mit dem ZIMT (Zentrum für Interkulturalität, Miteinander und Teilhabe) in diesem Jahr gemeinsam ausgerichtete „Fest der Begegnung“ wurde zu einem Stadtfest mit rund 1500 Besucher*innen.

Dass neben Braunau auch Projekte in anderen Orten im Innviertel (u.a. in Ried, Schärding, Altheim und Obernberg) stattfinden konnten, ist der Initiative Lebensraum Innviertel (Projekt KUKI) zu verdanken: Besonderes Highlight im Rahmenprogramm zum Festival 2025 war die im Rahmend dieser Kooperation umgesetzte erste Innviertler „Pride“ am 7. Juni im Vorfeld des Festivals in Ried.

Braunau mit anderen Augen sehen

Die Festivalausgabe „Realistische Träume“ traf mit dem Hauptaustragungsort Braunau auf eine Stadt, die medial oft auf ihr belastetes Erbe reduziert wird. Statt die Geschichte zu kaschieren, stellte sich das Festival der historischen Ambivalenz. Viele Projekte thematisierten Erinnerungspolitik, kollektives Gedächtnis und zukünftige Identitäten – subtil oder offensiv, nie moralisierend.

Ein zentrales Projekt war „Marmorplatte & Scheibe mit Ente“, das in Zusammenarbeit mit dem Haus der Geschichte Österreich neue Formen des Erinnerns erprobte und künstlerisch reflektierte.

Das Ziel Braunau mit anderen Augen zu sehen wurde erreicht. Braunau wurde nicht neu erfunden – aber neu erzählt. Der Anspruch, dass partizipative Kunst tatsächlich auch etwas bewegt, wurde vielerorts eingelöst.

Was von diesem Festival bleibt sind einmal mehr „kleine Kulturpflänzchen“, die in der Region weiterwachsen. Der Ball liegt jetzt bei der Region.

Was bleibt vom Festival der Regionen 2027?

Eine Auswahl.

Das Festival der Regionen 2025 hat über die Dauer des Festivals hinaus bleibende Impulse in der Region gesetzt. Viele Projekte haben sich verstetigt, Netzwerke sind gewachsen und künstlerische wie gesellschaftliche Prozesse wirken nach.

Das Festival hat Spuren hinterlassen – künstlerisch, gesellschaftlich und erinnerungskulturell.

Es sind dauerhafte Werke entstanden, lebendige Communities gewachsen, Traditionen neu gedacht und Netzwerke geknüpft worden, die die Region noch lange prägen werden

Ein bleibender Raum für das Bauhoftheater?

Das Bauhoftheater hat durch sein kulturpolitisches Engagement einen entscheidenden Schritt gesetzt, um langfristig einen Raum für Innenaufführungen zu schaffen. Dieses Vorhaben wird als infrastrukturelle Weiterentwicklung in der Region weiterverfolgt.

Die Testamentsverlautbarung in Buchform

Lydia Haiders Text zur Performance „Testamentsverlautbarung“ ist soeben im Band „Neue Rundschau 2025/3“ im renommierten deutschen S.Fischer Verlag erschienen.

https://www.fischerverlage.de/buch/neue-rundschau-2025-3-9783108091422

Neue Räume für neue Träume (kunst:dünger)

Die regionale Gruppe arbeitet nach wie vor an der Verwirklichung gesammelter Träume. Ein besonders sichtbarer Traum ist bereits Realität geworden: der Aufbau einer queeren Community in der Region, die nun die nächste Pride vorbereitet.

INN/4PRIDE geht weiter – Queere Community stellt sich auf

Aus dem Festival heraus ist eine queere Community entstanden, die Strukturen aufbaut, sich sichtbar macht und in Planung ist, wieder eine Pride in der Region auszurichten – ein wichtiger Schritt für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe.

Mit der Zeche Hinterfotzing weiter raufen & saufen

Die „Menschazech“ ist weiterhin aktiv, tritt regelmäßig auf und arbeitet derzeit mit Hansi Falkner von Attwenger an Gstanzl-Aufnahmen. Ihre Texte wurden in das Archiv des Österreichischen Volksliedwerks aufgenommen. Damit haben sie regionale Traditionen kritisch neu gedacht und transformiert.

Ein Fingerhut voll Utopien als Impuls für Goldhauben

Das Projekt „Ein Fingerhut voll Utopien“ im Kunstraum Valentin hat besonders auch eine Gruppe von Frauen der Goldfrauen geprägt, die gestärkt aus dem Festival hervorgegangen.

Jährliche Friedenswanderung mit Paul Zauner

Die Friedenswanderung soll als wiederkehrendes Format weitergeführt werden und bleibt so ein Impuls für Dialog und gesellschaftliche Auseinandersetzung in der Region.

In Bewegung bleiben im Tanzdorf von Simon Mayer und Hannah Shakti Bühler

Mit dem „Tanzvirus“ wurde ein Impuls gesetzt, der nachhaltig wirkt: Das Kulturzentrum ZIMT veranstaltet nun regelmäßig Tanzveranstaltungen. Zudem haben sich Simon und Hannah in der Region niedergelassen und sind dort stärker vernetzt – ein wichtiger Schritt für eine lebendige Tanzszene vor Ort. Im Rahmen des Projektes ist ein Dokumentarfilm mit Interviews mit vielen Menschen aus der Region entstanden. https://www.dorftv.at/video/46693

Ein neues Wahrzeichen für die Stadt Braunau?

Das im Festival entstandene Textil-Kunstwerk der Braunauer Stadtnäherin (Lydia Waldhör) wird als „neues Wahrzeichen“ für die Stadt an die Stadt übergeben und künftig voraussichtlich in der Landesmusikschule in Ranshofen als dauerhaft sichtbares Zeichen regionaler Geschichte(n) präsentiert

The Traffik“ – Linzer Straße bleibt autofrei?

Mit dem Festivalzentrum wurde die „Linzerstraße“ 10 Tage lang zur autofreien und lebendigen kulturellen Begegnungszone. Ein starkes Zeichen, wie Räume in der Stadt auch anders genutzt werden können.

Die von Studierenden gebauten Möbel haben sich in der ganzen Region verteilt und werden zum Teil auch weiter genutzt – ein praktisches und sichtbares Erbe der künstlerischen Zusammenarbeit mit der Kunstuniversität Linz.

Neugestaltung im Stahlpark Riedersbach – Kunst gehört gesehen

Durch die Initiative und Mitwirkung des Festivals konnten die auf dem weitläufigen Kraftwerksgelände ausgestellten Stahlskulpturen in Ostermiething dauerhaft verankert werden. Die neu zusammengestellte Ausstellung mit zahlreichen Objekten in der Aulandschaft wurde während des Festivals feierlich im Rahmen von „kUNSt geHÖRT geSEHEN“ eröffnet und bleibt nun als öffentlich zugängliche Kunstwerke bestehen.

Bankett am Bankett – 10 Jahre Sommer der Migration in Buchform

Im Zuge von „Bankett am Bankett“ ist unter dem Titel „Der lange Winter der Migration“ im Korrektur Verlag (Mattighofen) ein Erzählband entstanden – eine Anthologie in drei Sprachen (Arabisch, Farsi, Deutsch).

Mit Erzählungen und Essays von fünf Schriftsteller*innen, die 2015 aus Syrien, Afghanistan und Iran in den deutschsprachigen Literaturraum gekommen sind. Ein bleibendes Archiv kollektiver Erinnerung. https://korrekturverlag.com/titel/der-lange-winter-der-migration/

Text- und Musikwerkstatt von „Yasmo und der Klangkantine“

Yasmo und der Klangkantine zählen zu den angesagtesten aktuellen musikalischen Acts in Österreich. Aus der Text- und Musikwerkstatt in der Musikschule Ranshofen sind neue Songs und Texte entstanden, die inzwischen Teil von Live-Auftritten geworden sind und so über das Festival hinaus wirken.

Projekt „Verflechtn“ – Kulturnetzwerke wachsen über die Grenze

Im Rahmen von Verflechtn sind neue Netzwerke zwischen Künstler*innen, Initiativen und Vereinen entstanden, die auch nach dem Festival weiter bestehen. Mit den Erfahrungen von „Verflechtn“ wird an einem größerem Austauschprojekt für die nächste Festivalausgabe 2027 gearbeitet.

Ein Musterbeispiel partizipativer Kunst mit der Lebenshilfe Braunau

Die Zusammenarbeit der Gruppe Bussi mit der Lebenshilfe Braunau im öffentlichen Raum inspiriert die Institution bis heute und motiviert zur Entwicklung neuer partizipativer Formate.

DORFTV & Radio FRI als Festivalarchiv

Sendungen und Beiträge auf DORFTV und Radio FRI sind weiterhin verfügbar und machen die Festivalprojekte on demand nachseh- und nachhörbar. Damit bleibt die Sichtbarkeit und Zugänglichkeit der Inhalte auch über das Festival hinaus gewährleistet. Das Radio FRI wurde vom Festival nachhaltig gestärkt. Das Programm ist im Braunauer Kabel zu empfangen.

Bezirksmuseum Herzogsburg & Haus der Geschichte Österreich

Im Rahmen des Projektes „Marmorplatte & Scheibe mit Ente“ wurden Gegenstände aus dem Haus der Geschichte Österreich gezeigt. Zwischen dem Haus der Geschichte und dem Historischen Museum Braunau wurde ein wichtiger Kontakt hergestellt.

OÖN Kulturstammtisch über das was bleibt (und was gefehlt hat)

Ein Kulturstammtisch am 25. November um 19:00 in GUGG soll die Gelegenheit bieten, positiv und kritisch Bilanz zu ziehen, die Impulse des Festivals zu reflektieren und neue Initiativen zu entwickeln.