Eine besondere Krankheit des guten Geschmacks ist die Manie, alles mit Sprüchen zu verzieren!“, klagte eine Hausfrauenzeitschrift im Jahr 1905. Das strenge Urteil galt der Kultur handgearbeiteter Tücher, Bänder und Deckchen mit Sinnsprüchen, die sich nach der Jahrhundertwende bis nach dem Zweiten Weltkrieg zur vollen Blüte entfaltete. Wer sich die Mühe macht, einen halben Quadratmeter Leinen mit Worten zu besticken, muss etwas über sich und die Welt sagen wollen, meinen die Textilkünstlerin Beate Luger-Goyer und die Schriftsteller Rudolf Habringer und Walter Kohl. Für „Tritt Ein Bring Glück Herein“ haben sie hunderte alte Spruchtücher zusammengetragen und aus den moralischen Appellen zu Fleissigkeit, Frömmigkeit und Sparsamkeit Bilder einer untergegangenen Welt rekonstruiert. Woher aber stammen die Sinnsprüche unserer Zeit? Um das herauszufinden haben Luger-Goyer, Habringer und Kohl zeitgenössische TextilkünstlerInnen aus Österreich, Deutschland, Ungarn, den Niederlanden und den USA eingeladen, sich mit modernen Lebensdevisen und Binsenweisheiten zu verewigen. In Haslach und Helfenberg, den Mühlviertler Weberorten mit langer textiler Tradition, prallen die alten und neuen Spruchwelten aufeinander. Der Kontrast könnte heftiger nicht sein. Den blumigen Sprüchen aus guten Stuben und Küchen von früher stehen Statements gegenüber, deren saloppe Knappheit aus der Sprache der Werbung schöpft. Gegensatzpaare wie „Sich regen bringt Segen“ und „Speed kills“ oder „Spare lerne leiste was / So hast du kannst du giltst du was“ und „Der Sinn des Lebens heisst Einkaufen“ türmen sich in Haslach zur Installation auf dem Marktplatz. In der Helfenberger Fabrikshalle Gollner stehen sie in einer Ausstellung zwieträchtig nebeneinander. Von einem Ort zum anderen führt eine Spruch-Spur, auf der zwanzig Großplakate den Weg säumen.
Archiv - Festival der Regionen 2001
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