Die Region entlang der Summerauerbahn
Der Aktionsraum des Festivals 2023 war die Region entlang der Summerauerbahn. Vom Stadtraum Linz, durchs Mühlviertel über die Grenze nach Tschechien Richtung České Budějovice und weiter … Eine mäandernde Wegstrecke als verbindendes Element von Stadt und Land.
ÜBERBLICK
Die Region entlang der Summerauerbahn
- Die Wegstrecke als Metapher
- Der Blick aus dem Zugfenster
- Region mit einer besonderen kulturellen Dichte
- Regionale Einbindung
- Mitwirkende Gemeinden
Recherche zur Region (Auszug)
- Nothing special! von Andi Wahl
- Bittere Utopie von Michael Eibl
- Summerauerbahn – Video Zugfahrt
- Links zur Eisenbahn
- Literatur zur Summerauerbahn
- Galerie – ein paar der Locations
Die Wegstrecke als Metapher Die Bahnlinie, stellvertretend für eine Region, steht in der Festivalausgabe 2023 metaphorisch für eine Reihe an Herausforderungen. Vom öffentlichen und individuellen Verkehr, dem Umgang mit Ressourcen bis zu den Grenzen in den Köpfen. Eine Metapher für das Durchkreuzen, Gestalten und Formen von Landschaft und Gesellschaft. Für das Überwinden von Distanzen. Für Orte der Begegnung und des Dialogs zwischen den Regionen, Kulturen und Generationen. Für das Aufbrechen und Hintersichlassen. Das Dableiben und Fortfahren. Für Übergänge. Für Entschleunigung. Für Halten und Weiterfahren. Für etwas, das allen gehört. Und alle betrifft. Für eine gemeinsame Ressource.
Der Blick aus dem Zugfenster Wer aus dem Zugfenster schaut, durchquert eine sich von Station zu Station verändernde Landschaft. Vom Hauptbahnhof in Linz bis zum ersten Halt im Franckviertel, eingezwängt zwischen Industriehafen, Bundesstraße und dem Areal der voestalpine. Eine schmucklose Ein- und Ausstiegsstelle für Pendler*innen. Über die alte Donaubrücke weiter nach Steyregg und Pulgarn. Der Speckgürtel von Linz. Bis St. Georgen a.d. Gusen links und rechts die immer dichter bebauten Wohn- und Gewerbeflächen. Der Ballungsraum, befeuert durch den Ausbau von Autobahn, Bundes- und Schnellstraßen, dehnt sich in alle Richtungen. Längst existiert eine Gegenbewegung zur Landflucht. Auf den Straßen staut sich der Verkehr. In der Summerauerbahn wäre Platz genug! Nach St. Georgen das enge Gusental bis Lungitz. Unbebaute Natur. Dann die weiten Ebenen, Wiesen und Felder, bis Katsdorf, Wartberg und Schloss-Haus – mit Bahnhöfen und Haltestellen am Rand oder weit abseits der Orte. Von Pregarten, über Kefermarkt an der Feldaist bis Lasberg. Nach etwa einer Stunde Fahrt: Der Bahnhof in Freistadt, zu Fuß 45 Minuten von der Stadt entfernt. Es geht das Gerücht, die Freistädter Fuhrwerksbesitzer hätten vor 150 Jahren eine bessere Anbindung verhindert. Schließlich Summerau und der Blick über die Grenze nach Horní Dvořiště in Tschechien.
Region mit einer besonderen kulturellen Dichte Das Mühlviertel und die Region entlang der Summerauerbahn im Besonderen ist eine Gegend mit zahlreichen kulturellen Initiativen. Zum Teil mit mehr als 30-jähriger Geschichte (Local-Bühne Freistadt, Heimatfilmfestival Freistadt). Vereine, die mit viel Engagement Strukturen, Häuser, Netzwerke, ein Publikum aufgebaut haben. Aber auch zarte und vielversprechende Pflänzchen in der Kulturlandschaft, die noch im Entstehen sind. Diese besondere kulturelle Dichte ist der Humus für ein Festival, das wieder stärker auf regionale Beteiligung setzt und sich als Impulsgeber*in versteht. Oder wie es vor 30 Jahren die Gründergeneration des Festivals formuliert hat: Ein Festival nicht als “Leistungsschau des Bestehenden”, sondern als Anlass, über den lokalen schon vertrauten Schatten zu springen und als Anschub für Neues.
Regionale Einbindung Das Festival der Regionen zählt zu den renommiertesten zeitgenössischen Kunstfestivals. Seit 30 Jahren erkundet und erobert das Festival biennal eine Region in Oberösterreich. Neben dem programmatischen Ansatz, zeitgenössische, kritische und bisweilen subversive Kunst außerhalb der kulturellen Zentren auch in den Regionen zu ermöglichen, stehen die Stärkung und Förderung von regionalen Initiativen und die Beteiligung der Menschen vor Ort in und an künstlerischen Prozessen und Projekten im Fokus. Wobei das Festival für die Einreicher*innen gerne als Vermittler*in agiert.
Für diese Festivalausgabe möchten wir ganz besonders Initiativen, Vereine, Aktivist*innen, Künstler*innen aus der Schwerpunktregion einladen, sich mit Projektvorschlägen und Ideen einzubringen. Regionale Initiativen, die keine eigenen Projekte realisieren wollen, aber Interesse am Austausch und der Zusammenarbeit mit Künstler*innen und dem Festival haben, können sich gerne an das Festivalteam wenden.
Mitwirkende Gemeinden
- Steyregg & Pulgarn
- St. Georgen an der Gusen
- Katsdorf & Lungitz
- Wartberg ob der Aist
- Pregarten
- Kefermarkt
- Rainbach im Mühlkreis
- Lasberg
- Gallneukirchen
- Freistadt
- Linz
- Horní Dvořiště
Recherche zur Region
Nothing special! von Andi Wahl (Autor, Kulturarbeiter und Historiker aus Windhaag bei Freistadt)
Nein, es gibt keine spezifische Eigenart der Mühlviertler Bevölkerung. Keinen “Volkscharakter”. Nichts was diesen „Menschenschlag“ gegenüber allen anderen auszeichnet.
Diese Zeiten – so es sie jemals gab – sind vorbei. Da haben Globalisierung, Urbanisierung des ländlichen Raums, die Bildungsoffensive der 1980er, oder wem immer man das in die Schuhe schieben will, ganze Arbeit geleistet. Auch die aktuelle Gegend des Festivals der Regionen 2023 ist Teil der „Vereindeutigung der Welt“, wie der Islamwissenschaftler Thomas Bauer ein von ihm verfasstes Büchlein betitelt (Reclam Universal-Bibliothek Nr. 19492). Darin beklagt er „den Verlust an Mehrdeutigkeit und Vielfalt“ in der Welt. Ein kluges und amüsant zu lesendes Buch. Dennoch möchte ich Bauer (auch) widersprechen.
Etwas das ich immer wieder wahrnehme sind nämlich Prägungen, die sich aus der jeweiligen Lebenssituation von Menschen ergeben. Das sind gewiss keine genuin mühlviertler Prägungen. Aber doch Prägungen, die sich aus der Verfügbarkeit oder Nichtverfügbarkeit von Lebenschancen, Kultur- und Bildungsangeboten oder Arbeitsmöglichkeiten ergeben. Menschen am Land sind es gewohnt, sich vieles selbst schaffen zu müssen und sich mehr anzustrengen als Menschen in den Zentren. Lange Arbeitswege, geringere Bildungsangebote, Urlaube oder Wochenenden voller Arbeit sind ihnen eine Selbstverständlichkeit. Selbstverständlich, weil es im Ort, im Dorf oder in der Kleinstadt alle betrifft. Darum wird auch nicht gemeckert. Leben heißt schaffen, zupacken und sich anstrengen. Und das können sie gut. Wer sich auf diese Leute einlässt, darf keine Blender*in oder Schwätzer*in sein. Ihren Respekt und ihre Zuneigung gewinnt man nur, wenn man selbst anzupacken weiß und Versprechen auf Punkt und Beistrich einhält. Für Geschwafel und Eitelkeiten ist hier keine Zeit. Aber wenn man sie für seine eigene Sache begeistern kann, dann hat man verlässliche und kompetente Menschen an seiner Seite die bereit sind einen Teil ihrer Lebensenergie in ein gemeinsames Vorhaben zu investieren.
Dieses Privileg gibt es aber nicht geschenkt. Man muss es sich verdienen.
Bittere Utopie von Michael Eibl (Kulturarbeiter in der Local-Bühne Freistadt)
Entstanden vor rund 150 Jahren, um die regionalen KuK-Wirtschaftszentren Linz und Budweis/České Budějovice zu verbinden, war es wohl nie der Anspruch der heutigen „Summerauerbahn“ das nordöstliche Mühlviertel öffentlich an den OÖ Zentralraum anzubinden. Dass kaum Orte entlang der Summerauerbahn auch tatsächlich mit einem Bahnhof unmittelbar im Ort, in der Stadt, an die Bahnstrecke angeschlossen sind, entspricht, ebenso wie die Streckenführung, wohl diesem ursprünglich nicht vorhandenen Anspruch. Die “Summerauerbahn” taugt dennoch zur Identifikation: gemeinsam haben die entlang ihres Verlaufs Lebenden, dass die Eisenbahn zwar irgendwo in der Nähe ist, aber kaum zu gebrauchen im Alltag. Autobahn & Schnellstraße dominieren als Wegstrecken. Die Erkenntnis, dass 150 Jahre alte Verkehrsinfrastrukturen den geänderten und sich entwickelnden Anforderungen an Mobilität nicht entsprechen (können), drängt sich auf.
So bleibt die Bahnlinie als verbindendes Element zwischen Zentralraum und bzw. innerhalb der Provinz in diesem Fall eine bittere Utopie – bitter, weil greifbar. Die Schienen sind ja gelegt, die Bahnhöfe gebaut, die Fahrpläne geschrieben. Und die Züge fahren. Aber manchmal eben ins und durchs und für Nichts.