Das Festival der Regionen hat begonnen – mit einer fünfteiligen Vortragsreihe zum Festivalthema „Die Kunst der Feindschaft“. Statt zu einem einzigen Symposium lud das Festival in Zusammenarbeit mit dem Bildungszentrum Maximilianhaus, Bildungshaus Schloss Puchberg, Stadtbibliothek Linz und Volkshochschule Linz zu fünf Vorträgen. Ein Soziologe, ein Non-Profit-Manager, ein Sozialpsychologe, eine Sozialwissenschafterin und eine Politologin – so die Besetzung der fünf Themenabende. Den Anfang machte Roland Girtler (im Bildungszentrum Maximilianhaus in Attnang-Puchheim, 7. Mai) mit unterhaltsamen Ausführungen zu „Bösewichte“ und einer Einführung in die „Kultur der Niedertracht“. Der bunte Hund der Soziologenzunft zeichnete die Niedertracht als besonderes Stück Weltgeschichte. Ein Stück Geschichte, von dem vor allem die Guten und Anständigen profitieren. Denn die brauchen den Bösewicht als Kontrast und Sündenbock. Tags darauf berichtete Peter Quendler im Bildungshaus Schloss Puchberg bei Wels von der „Solidarität gegen den Krieg“ in Afghanistan, wo sich der pensionierte Caritas-Manager in Partnerschaft mit dem Linzer Unternehmer Otto Hirsch engagiert. In einer von Quendler und Hirsch initiierten Schule samt Textillehrwerkstatt finden zweihundert Mädchen und vierzig Frauen Ausbildung und Arbeit – ein Beitrag zum Wiederaufbau des von Jahrzehnten des Krieges verheerten Landes. In Linz zog am 13. Mai Horst-Eberhard Richter in den Räumlichkeiten der Arbeiterkammer ein großes Publikum in Bann. Die eigentliche Ordnung des Lebens, wie sie uns vorgegeben ist, beschrieb der renommierte Psychologe und Autor als ein Verhältnis der Vernetzung und Verbundenheit aller Menschen und Gemeinschaften. Im Respekt vor dieser Ordnung vollziehe sich die gemeinsame kulturelle Entwicklung der Menschheit. Wo diese Ordnung aber wie in weiten Teilen des Westens gestört wird, beginnt „Die Flucht in die Feindschaft“. Eindringlich schilderte Richter, wie Feindbilder entstehen und wie sich die fatale Vorstellung von der Ausrottung des Bösen in den Köpfen ausbreitet. Einen überraschenden Weg der Annäherung an die „Kunst der Feindschaft“ ging die Sozialwissenschafterin Marianne Gronemeyer (Arbeiterkammer Linz, 14. Mai). Sie beschäftigte sich ausgiebig mit der Strategie des „Verstehens“ – und zeigte, dass häufig „Verstehen als Vernichtung des Anderen“ funktioniert. Bleibt die Empfehlung, zur Vermeidung von Konflikten besser auf produktive Missverständnisse denn auf Verständnis zu setzen. Lisbeth N. Tralloris Vortrag „Diesen Konflikt widmet Ihnen … das Neo-Patriarchat – Geschlechterantagonismen in der Postmoderne“ beschloss die Serie, und das nicht allzu hoffnungsfroh. Denn Trallori macht bewusst, wie trickreich sich die alte patriarchale Ordnung durch Anpassung jeder echten Veränderung entzogen hat und fröhliche Urstände feiert.
Archiv - Festival der Regionen 2003
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